Fake News

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Ein Plädoyer für den klassischen Beruf Journalist*in

von Michaela Summer

Alternative Medien
Bildquelle: Pixabay

„Ich habe andere Informationen zu dem Thema“: Mit diesem Satz hat mir kürzlich jemand seinen Standpunkt zum Corona-Virus erklärt. Mir, der gelernten Journalistin, der Kommunikationswissenschaftlerin, die zum Thema Nachrichten-Selektion geforscht hat, haben sich bei diesem Satz gleich alle Nackenhaare aufgestellt. Das beschreibt genau das Problem zum Thema Fake News. Denn NEIN, diese Person hatte keine ANDEREN Informationen. Ich habe all diese „Informationen“ ebenso. Ich gewichte sie nur anders und entscheide anders als sie, wenn es darum geht, nach welchen Informationen ich mich richte.

Wussten Sie, dass das Wort „Nachrichten“ von „Nachrichtung“ kommt – und bedeutet, man hat sich danach zu richten? Früher war das so einfach: Meinungsbildner aus dem Ort oder die Zeitungen versorgten die Menschen mit Nachrichten. Beides war glaubwürdig und wurde kaum in Frage gestellt. Und wer versorgt mich heute? Jede und jeder! Heute kommen die Infos über YouTube- und Instagram-Kanäle, über Tiktok und Snapchat, Facebook und WhatsApp. Die klassischen Medien spielen auch noch mit. Die Selektion aber bleibt an mir hängen. Und ich muss News von Fake News unterscheiden.

Warum manche plötzlich Bleiche trinken…

Und die Kriterien, nach denen ich auswähle, hängen von meinen Erfahrungen und meinem Umfeld ab, und sind komplett anders als jene, die mein Mann, mein Kind, meine Mutter oder meine beste Freundin anwenden. Subjektiv. So kommts, dass der eine Bleiche trinkt, weil er von jemandem, den er für seinen Erfolg sehr bewundert und von dem er annimmt, dass dieser kluge Mann aufgrund seiner Position nur fundierte Informationen haben könne, erfahren hat, dies würde ihn vor einer Krankheit beschützen. Und ein anderer, der sich nur fragt, wie es ein minderbemittelter Kasperl überhaupt geschafft hat, so eine hohe Position zu erlangen, kann diese „Nachricht“ nur als Blödsinn abtun.

Dieser erfolgreiche, kluge Mann – oder minderbemittelte Kasperl, je nachdem – hat seine Meinung via Twitter kundgetan. Eine Selektion gab es nicht. Zu anderen Zeiten hätte er diese (Des)Information nur über ein Medium verbreiten können, in welchem Journalistinnen und Journalisten die Selektion übernommen hätten. Diese hätten nun die Aufgabe gehabt, die Information zu überprüfen, mit einer Wissenschaftlerin oder einem Wissenschaftler zu sprechen, Expertise einzuholen und Gegenmeinungen abzuwägen. Und dann die Information mit Pros und Contras der Bevölkerung zugänglich zu machen, oder eben nicht.

Jedem seine Profession

Jetzt kommen natürlich Gegenstimmen, die meinen, Journalistinnen und Journalisten würden genau das ja ohnehin nicht tun. Sie würden irgendwelche Geschichten verbreiten, die gerade in ihre persönliche Agenda passen. Auch in dieser Branche gibt es nicht nur Gute! Aber man sollte nicht vergessen, dass eine Journalistin und ein Journalist einfach ihren Beruf ausüben, ihr Handwerk erlernt haben und es zu ihrer Arbeit gehört, Informationen zu selektieren. Manche mögen das vielleicht nicht zu unserer eigenen Zufriedenheit tun. Es gibt auch Tischler*innen, die manchmal schlechte Arbeit leisten. Trotzdem würde ich mir nie anmaßen zu sagen, nachdem in Tischlereien ohnehin kein gerades Möbelstück gezimmert wird, baue ich mir meine Möbel ab heute selbst. Und nachdem die Cousine der Nachbarin meiner Großtante väterlicherseits erst kürzlich in einer Klinik falsch behandelt wurde, mache ich mir meine Blinddarm-Operation einfach selbst.

Der Weg aus dem Fake-News-Dschungel führt nur über richtige Recherche und professionelle Selektion der Informationen. Wenn wir diesen Aspekt der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten nicht wertschätzen, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Nachrichten-Selektion selbst durchzuführen. Dann aber bitte mit professionellen Werkzeugen anstatt mit subjektiven Kriterien. Oder wir lernen, diesen Beruf wieder wertzuschätzen und ordentlich zu entlohnen, anstatt die klassischen Medien kaputt zu sparen, Journalistinnen und Journalisten durch Bots zu ersetzen und die Medien an russische Oligarchen-Nichten zu verkaufen.